Produkte werden entwickelt, Werbung wird gemacht und oft mehr schlecht als recht wird eine Dokumentation dazu erstellt. Mehr schlecht als Recht? Haben es die Verbraucher so gewollt, oder ist das einfach eine Masche, der wir uns ganz langsam hingegeben haben?
Wie es leider manchmal läuft
Es gibt wenig Kopfzerbrechen über Kopfschmerztabletten: Tablette. Wasser. Kopfschmerzen weg. Das ist die “einfache” Bedienungsanleitung einer Kopfschmerztablette. Aber nicht die auf der Packungsbeilage. Jeder Arzt wird heimlich abraten, den Beipackzettel der Kopfschmerztablette zu ausführlich zu lesen. Zielgruppe der furchtbaren “Bedienungsanleitung” von Medikamenten ist nicht der Patient und nicht der Arzt. Die Zielgruppe ist die Organisation, die das Medikament zertifiziert. Lust auf Lesen in kleiner Schrift und auf dünnem Papier soll die Packungsbeilage ja auch nicht machen.
iPhone Dokumentation?
Kiste auf, Telefon raus, Kiste zu: Apple macht es ganz anders. Trotz geschätzter 1000 Funktionen wird das iPhone quasi ohne Bedienungsanleitung ausgeliefert. Die Leute von Apple konnten sich vom Gesetzgeber gerade mal dazu zwingen lassen ein paar wirklich sinnlose Zettel zum Thema Funkverträglichkeit, CE-Konformität und einer “Spielkarte” zur Beschreibung der Knöpfe beizulegen. Die wird auch keiner lesen und man hört Steve Jobs noch sagen “Die werden schon rausbekommen wie das Ding funktioniert”. Und was ist passiert? Die haben rausbekommen wie es funktioniert. Und Apple schafft es neue Produkte in 130 Ländern zeitgleich auf den Markt zu bringen eben weil nicht vorher 100000 ungelesene und sinnlose Wörter in 70 Sprachen übersetzt werden. Niemand will mit einem nagelneuen iPhone in der Hand etwas lesen wie “Die bestimmungsgemäße Verwendung des Produkts, im Folgenden “Iphone” genannt, ist das Telefonieren und benutzen Sie das Iphone ausschließlich für den hier beschriebenen Gebrauch und nicht als Flaschenöffner, weil sonst erlischt die Gewährleistung.” Nichts Neues, schlechte Sprache und schon ist tote Hose mit Lust auf Lesen.
Die Bordliteratur von Autos
Tür auf. Reinsetzen. Losfahren. Aber: Die Bedienungsanleitung meines Autos deckt alle verfügbaren Varianten ab. Diesel oder Benzin, Schiebedach ja-nein, Automatik, Anhängekupplung und alle Permutationen davon. Die Automobilhersteller geben sich anerkanntermaßen Mühe. Meistens aber beschreibt die beigelegte “Bordliteratur” 70 andere Autos gleich mit, damit die hausinterne Logistik glücklich ist. Die Bedienungsanleitung meines Autos hat also zwei Hälften. Die eine Hälfte beschreibt Dinge, die ich gar nicht habe: Diesel, Automatik und Anhängerkupplung. Die andere Hälfte beschreibt Dinge, die man gar nicht wissen will: Fensterheber, Zündschloss und Scheibenwischer. Und wo ist die Bedienungsanleitung? Tatsächlich im Handschuhfach, wo sie erstmal bleibt.
Gute Dokumentation geht … aber wie?
Auf was kommt es jetzt bei einer guten Dokumentation an? Bei aller Liebe: Unsere Kunden haben keine Lust auf Lesen. Sonst hätten sie sich ja ein Buch gekauft. Und ein gutes Produkt reduziert die Notwendigkeit einer Bedienungsanleitung sowieso auf Null. Wer gerade ein neues Telefon auspackt, wird einfach nicht als Erstes die Konformitätserklärung studieren wollen. Der will auch nicht lesen, dass man mit der “An/Aus-Taste” das Telefon einschalten und ausschalten kann. Die Aufgabe eines guten technischen Redakteurs ist es zu hinterfragen: Braucht mein Kunde diese Information oder nicht? Wie kann ich dafür sorgen, dass er sie findet, wenn er sie braucht? Kann er es so verstehen,? Kann man es so übersetzen? Wie kann ich die Logistik glücklich machen ohne 16000 Dokumentationen für alle denkbaren Fahrzeugkonfigurationen in einem Dokument zu kombinieren? Und wie wäre es damit: Wieso machen wir nicht eine Dokumentation zu dem, was sie sein soll? Zu einer im Bedarfsfall gerne hinzugezogenen Beschreibung, die der Kunde sowieso erst lesen will, wenn er nicht versteht was wir ihm da verkauft haben. Wie wär’s mal bei Bedarf mit A3? Vielleicht passt dann die Beschreibung einer Handlung auf eine Seite und der Kunde muss nicht 6-mal blättern um eine Sicherung zu wechseln. Wie wäre es mit einer 9-sprachigen Dokumentation, die das Produkt noch bezahlbarer macht, aber bitte so, dass der Kunde sich noch zurechtfindet. Wieso muss es immer die Norm sein? Es gibt natürlich Normen und Empfehlungen an die sich ein Redakteur halten kann. Es gibt aber auch Regeln an die sich ein guter Redakteur halten muss: Viel Bild. Wenig Text. Kein Blödsinn. Die Lust aufs Lesen kommt manchmal ganz von selbst, wenn der Kunde findet und versteht was er wissen wollte.
